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Kommentar

Anfechtung von gezahlten Steuern und Zöllen – zwei Entschei­dungen des BGH

Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen vom 08.02.2024 zu Fragen der Insolvenzanfechtung von gezahlten Steuern und Zöllen entschieden. 

Zum einen hat er unter dem Aktenzeichen IX ZR 2/22 zur Frage des dolo-agit-Einwands durch die Finanzverwaltung gegen eine Anfechtung entschieden und diesen im Ergebnis verneint. Auf diese Entscheidung nimmt er ausdrücklich in der am gleichen Tage ergangenen Entscheidung zum Aktenzeichen IX ZR 107/22 Bezug. In dieser geht es darüber hinaus um die Frage, ob das Absonderungsrecht aus der Sachhaftung nach § 76 AO eine kongruente Deckung begründet. 

Im Einzelnen: 

In dem zu entschiedenen Fall zu IX ZR 2/22 hatte der Insolvenzverwalter Zahlungen der Schuldnerin an die Bundesrepublik Deutschland auf Einfuhrumsatzsteuer nach § 133 InsO angefochten. Diese Zahlungen hatte die Schuldnerin als Vorsteuer bei ihren Voranmeldungen in Abzug gebracht. Die beklagte BRD hatte sich gegen die Anfechtung mit dem dolo-agit-Einwand verteidigt. Danach handelt derjenige treuwidrig, der etwas verlange, was er alsbald zurückgewähren müsse. Die Rechtsverfolgung verstößt dann gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). 

Der BGH lässt diesen Einwand nicht durchgreifen. Er hat dabei offengelassen, ob die Rückgewähr der angefochtenen Zahlungen eine Pflicht des Insolvenzverwalters zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges gem. § 17 Abs. 3 UStG zur Folge hätte und weiter, ob eine daraus folgende Umsatzsteuerschuld eine Masseverbindlichkeit darstellt, die an die Beklagte abzuführen sei, wie es das Berufungsgericht angenommen hat. Jedenfalls verstoße die Anfechtung nicht gegen Treu und Glauben. § 242 BGB sei nur in Extremfällen anwendbar. Ein solcher liege aber nicht vor. Vielmehr hätten im Rahmen eines Insolvenzverfahrens im Interesse aller Beteiligten die vom Gesetz vorgesehenen Befriedigungsreihenfolgen eingehalten zu werden. Die dolo-agit-Einrede würde im Ergebnis aber zu einer aufrechnungsähnlichen Wirkung und einer nicht vorgesehen Vorrangstellung führen. Zudem sei die Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges für sich genommen keine Umsatzsteuerforderung. Die Berichtigung sei nur ein Teil der Besteuerungsgrundlagen. Dass die Berichtigung Eingang in die sodann folgende Steuerberechnung finde, reiche nicht zur Begründung des Einwands aus. Ob und in welcher Höhe eine Forderung gegen die Masse bestehe, sei das Ergebnis eines unabhängigen Besteuerungsprozesses, der erst am Ende des Besteuerungszeitraums abgeschlossen sei. Die vorweggenommene Prüfung des Ergebnisses könne nicht inzidenter durch den Richter in einem Anfechtungsrechtsstreit erfolgen. Ebenso wenig kann bereits im Anfechtungsprozess geprüft werden, ob der Anspruch des Anfechtungsgegners gegen die Masse werthaltig ist. All dies würde zu einer unbilligen Überfrachtung des Prozesses führen. Vielmehr sei der Anfechtungsgegner darauf zu verweisen, wie jeder andere Gläubiger auch Befriedigung zu suchen. 

Abschließend weist der BGH nochmals ausdrücklich unter Verweis auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Münster (NZI 2022, 177) darauf hin, dass ob die Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs überhaupt eine Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach sich ziehe, eine höchstrichterlich bislang ungeklärte Rechtsfrage sei. Er selbst hat diese Frage ausdrücklich offengelassen. 

Der Leitsatz der Entscheidung lautet: Die Geltendmachung eines Insolvenzanfechtungsanspruchs auf Rückgewähr gezahlter Einfuhrumsatzsteuer verstößt nicht gegen Treu und Glauben. 

In der weiteren zu entscheidenden Fall IX ZR 107/22 hatte der Sachwalter die Zahlungen der Schuldnerin an das Hauptzollamt Hamburg auf Einfuhrumsatzsteuer und Zölle angefochten. Die Zahlungen der Schuldnerin erfolgten unstreitig sämtlich nach Antragstellung. Allerdings waren die Waren, auf welche die Zölle und Einfuhrumsatzsteuern erhoben worden waren, teilweise vor und teilweise nach Antragstellung in die Bundesrepublik eingeführt worden. Soweit Steuerzahlungen auf Waren angefochten wurden, die nach Antragstellung eingeführt worden waren, griff die Anfechtung durch. Hierbei verweist der BGH auf die bereits oben dargestellte Entscheidung, dass der Anfechtung nicht der dolo-agit-Einwand entgegenstehe. 

Hingegen greift die Anfechtung von Zahlungen für Waren, die vor der Antragstellung eingeführt worden sind, nicht durch. Insoweit hat der BGH entschieden, dass an diesen Waren ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht entstanden sei. Wenn der Gläubiger sich aus dem Absonderungsrecht in Höhe der angefochtenen Zahlung anfechtungsfest hätte befriedigen können, liege keine Gläubigerbenachteiligung vor (ständige Rechtsprechung). Dieses Absonderungsrecht folge aus der Sachhaftung des § 76 AO (Abgabenordnung) und sei mit dem Verbringen der einfuhrabgabepflichtigen Waren in den Geltungsbereich der Abgabenordnung entstanden. Die Sachhaftung bewirke den Erwerb einer erstrangigen dinglichen Pfandberechtigung, die ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 4 InsO begründe. Das Entstehen des Absonderungsrechts könne allerdings wiederrum nach allgemeinen Regeln anfechtbar sein. Hierzu hat der BGH eine bisher offen gelassene Streitfrage dahingehend entschieden, dass die Sachhaftung nach § 76 Abs. 1 AO kongruent ist. Dies folge aus der Tatsache, dass es sich um ein gesetzliches Pfandrecht handle und es nur die für die betroffene Ware jeweils entstandene Abgabenschuld sichere. 

Der Leitsatz lautet: Die Sachhaftung an einfuhrabgabenpflichtiger Ware ist im Grundsatz eine kongruente Sicherung. 

Julia Frank

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