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Kommentar

Fehlüber­weisung in der Insolvenz – Wegfall der Berei­cherung

I. Entscheidung des Bundesgerichtshofs 
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH („Insolvenzschuldnerin“) leistete die Klägerin versehentlich eine Kaufpreiszahlung auf ein ehemaliges Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin, dem der Betrag von der Bank zugunsten der Insolvenzschuldnerin gutgeschrieben wurde. Die Zahlung sollte eigentlich an eine dritte Partei fließen, aufgrund einer Namensähnlichkeit kam es seitens der Klägerin zu der Fehlüberweisung.

Der Insolvenzverwalter erkannte zwar an, dass es sich bei der Zahlung um eine ungerechtfertigte Bereicherung der zu keiner Zeit unzulänglichen Masse im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO handelt, berief sich aber in Höhe eines Teilbetrages auf einen Wegfall der Bereicherung. Er begründete dies mit den aus der Fehlüberweisung resultierenden Mehrkosten des Insolvenzverfahrens.

Der Bundesgerichtshof hat die Klage auf Zahlung des Teilbetrages aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO als unbegründet abgewiesen.

Dabei geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass die Fehlüberweisung grundsätzlich im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagten Insolvenzverwalter rückabzuwickeln sei, da nach § 35 Abs. 1 InsO das Insolvenzverfahren auch das Vermögen erfasst, welches der Insolvenzschuldner während des Verfahrens erlangt. Im entschiedenen Fall war die Zahlung nicht auf ein Anderkonto des Beklagten, sondern auf ein vormals als Geschäftskonto geführtes und nicht mehr aktives Konto der Insolvenzschuldnerin gutgeschrieben worden. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs verlor mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens dieses Girokonto zwar seine Eigenschaft als Zahlungsverkehrskonto, da der Girovertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne von § 116 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen ist. Das Kreditinstitut war trotz des erloschenen Girovertrages in dessen Nachwirkung aber noch befugt, im Interesse ihrer früheren Kundin eingehende Zahlungen weiterhin für sie entgegenzunehmen.

Da der Massezuwachs, verursacht durch die Fehlüberweisung der Klägerin, nach Insolvenzeröffnung erfolgt ist, handelt es sich bei dem Bereicherungsanspruch der Klägerin um eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Dieser ist von dem beklagten Insolvenzverwalter nach den Grundsätzen der §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln. Die Pflicht des Beklagten auf Herausgabe der rechtgrundlosen Bereicherung ist dabei gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf das beschränkt, was in der Masse als Bereicherung noch vorhanden ist.

Dabei setzt die Abzugsfähigkeit von Vermögensnachteilen des Bereicherungsschuldners voraus, dass diese Vermögensnachteile adäquat kausal auf der Bereicherung beruhen. Der Bundesgerichtshof hat die einschränkende Auslegung des § 818 Abs. 3 BGB durch das Berufungsgericht abgelehnt. Abzugsfähig sind nach § 818 Abs. 3 BGB alle Verwendungen auf den herauszugebenden Bereicherungsgegenstand. Dabei hat der BGH deutlich gemacht, dass sich durch die rechtsgrundlose Leistung an die Masse die Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 54 InsO erhöht haben, da die Zahlung in die Berechnungsgrundlage für die Höhe der Verfahrenskosten einfließt.

Der BGH benennt lediglich zwei Ausnahmefälle, in denen ein Wert der Insolvenzmasse nicht in die Berechnungsgrundlage miteinfließt. Erstens ist im Fall der Unternehmensfortführung nur der Überschuss zu berücksichtigen und zweitens sind Beträge, die ein Insolvenzverwalter gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 InsVV wegen besonderer Sachkunde erhält, abzuziehen. Im Umkehrschluss sind alle weiteren Massezuflüsse in die Berechnungsgrundlage miteinzubeziehen.

Durch die Einbeziehung in die Berechnungsgrundlage erhöhen sich zum einen die Gerichtsgebühren. Diese sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 GKG grundsätzlich bereits mit Stellung des Insolvenzantrages und der Insolvenzeröffnung fällig. Zum anderen kann der Insolvenzverwalter bezüglich der Vergütung die Rückzahlung in Höhe der von ihm berechneten Mehrvergütung bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens und zur rechtskräftigen Festsetzung der Vergütung gemäß § 64 InsO verweigern.

Da die Vergütung erst durch das Insolvenzgericht am Ende des Verfahrens festgesetzt wird, steht die genaue Höhe der Entreicherung auch erst mit der rechtskräftigen Entscheidung darüber fest. 

II. Stellungnahme
Mit diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass erstens ungerechtfertigte Bereicherungen in die Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Verfahrenskosten miteinfließen und zweitens die Insolvenzmasse in Höhe dieser durch die aufgedrängte Bereicherung entstehenden Mehrkosten im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB entreichert ist.

Das ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs ist wegen der eingetretenen Rechtssicherheit für die Praxis begrüßenswert. Insolvenzverwalter sind aufgrund dieser Rechtsprechung nunmehr gehalten,

  1. rechtsgrundlose Bereicherungen, die aus der Zeit nach Insolvenzeröffnung resultieren, in die Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Verfahrenskosten einzubeziehen und
     
  2. sogenannte aufgedrängte Bereicherungen, die nach Insolvenzeröffnung erfolgt sind, nicht vollständig an den Bereicherungsgläubiger zurückzuzahlen, sondern zunächst die Auswirkungen der aufgedrängten Bereicherung auf die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters zu berechnen und in dieser Höhe eine Rückzahlung aufgrund der Entreicherung der Masse zu verweigern.

Des Weiteren besteht nunmehr Klarheit darüber, dass abgesehen von den zwei genannten Ausnahmefällen alle weiteren Massezuflüsse in die Berechnungsgrundlage miteinfließen

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