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Kommentar

Bezif­ferung des Erstat­tungs­an­spruchs wegen Insol­venz­ver­sch­leppung nach anfech­tungs­be­dingter Rückzahlung einer Saldo­dif­ferenz

1. Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 15.06.2021, Az. II ZR 146/20, erneut mit der Frage beschäftigt, wie sich die anfechtungsbedingte Rückzahlung einer Saldodifferenz auf den Erstattungsanspruch wegen Insolvenzverschleppung auswirkt.

Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem der klagende Insolvenzverwalter einen Insolvenzanfechtungsanspruch gegen eine Bank wegen der Rückführung eines Kontokorrentkredites realisiert hatte. Da die Bank im maßgeblichen Zeitraum noch Verfügungen von dem debitorisch geführten Girokonto zugelassen hatte, umfasste die Rückzahlung der Bank lediglich die Differenz zwischen den im anfechtungsrelevanten Zeitraum erfolgten Ein- und Auszahlungen. Im Rahmen des Rechtsstreits gegen den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 64 S. 1 GmbHG a. F. war streitig, inwiefern sich dieser Erstattungsanspruch durch den gegenüber der Bank aufgrund der Insolvenzanfechtung realisierten Betrag reduzierte.

2. Bereits mit Urteil vom 11.02.2020, Az. II ZR 427/18, hat der BGH entschieden, dass der Erstattungsanspruch gegen den Geschäftsführer entfällt, wenn ein Massezufluss erfolgt ist, der zu der masseschmälernden Zahlung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Dieser Zusammenhang sei notwendig, weil der Geschäftsführerhaftungsanspruch wegen Insolvenzverschleppung nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist. Im vorliegenden Fall war ebenso wie damals problematisch, dass der von der Bank zurückgewährte Betrag den einzelnen masseschmälernden Zahlungen nicht zugeordnet werden konnte, weil Gegenstand der Anfechtung gegenüber der Bank nicht einzelne Gutschriften, sondern lediglich die Saldodifferenz (Differenz zwischen Ein- und Auszahlungen) war. Im Rahmen der Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung können hingegen gegenüber dem Geschäftsführer alle Einzahlungen als haftungsauslösend geltend gemacht werden, sofern es sich nicht ausnahmsweise um erlaubte Zahlungen handelt. Der BGH hat insoweit mit beiden Urteilen klargestellt, dass für die Bezifferung des Geschäftsführerhaftungsanspruchs in Anwendung des Rechtsgedankens des § 366 Abs. 2 letzter Fall BGB berechnet werden müsse, welchen prozentualen Anteil die erstattete Saldodifferenz von der Gesamtsumme der im anfechtungsrelevanten Zeitraum erfolgten Gutschriften ausmacht. Dabei seien auch Zahlungen einzubeziehen, die nicht haftungsauslösend im Sinne des § 64 S. 1 GmbHG a. F. bzw. im Sinne der vergleichbaren Normen des HGB und des AktG waren.

Konkret bedeutet dies Folgendes: Wenn im anfechtungsrelevanten Zeitraum auf einem debitorischen Konto den Gutschriften in Höhe von 100.000,00 € Auszahlungen in Höhe von 90.000,00 € gegenüberstanden, beträgt die im Wege der Anfechtung gegenüber der Bank zur Insolvenzmasse zu ziehende Saldodifferenz 10.000,00 €, mithin 10 % der Gutschriften. Für die Ermittlung der Geschäftsführerhaftungsansprüche wegen Insolvenzverschleppung muss der Insolvenzverwalter nach der Realisierung des Anfechtungsanspruchs davon ausgehen, dass auf jeden dem Konto gutgeschriebenen Zahlungseingang bereits 10 % erstattet worden sind, so dass er nur noch jeweils 90 % der haftungsbegründenden Zahlungseingänge gegenüber dem Geschäftsführer geltend machen kann.

 

3. Der BGH hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 11.02.2020, Az. II ZR 427/18, vollumfänglich bestätigt. Seine Rechtsauffassung, dass im Fall der Erstattung einer Saldodifferenz durch den Anfechtungsgegner sämtliche im anfechtungsrelevanten Zeitraum vorgenommenen Zahlungen gleichermaßen als ausgeglichen gelten, ist zum einen denklogisch und schafft zum anderen Rechtssicherheit für den wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommenen Geschäftsführer. Eine andere Sichtweise, wonach der erstattete Betrag der Saldodifferenz möglicherweise sogar willkürlich einzelnen Zahlungen zugeordnet werden könnte, erscheint nicht praktikabel und würde das Haftungsrisiko des Geschäftsführers, das durch die Rechtsprechung zu Zahlungseingängen auf debitorischen Konten nach Eintritt der Insolvenzreife schon erheblich ist, weiter erhöhen.

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