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Kommentar

BGH: Zur Anfechtung von konto­kor­rentähn­lichen Hin- und Her-Zahlungen im inter­company-Verhältnis und zugleich zur Anfecht­barkeit von Zinszah­lungen an Gesell­schafter

Mit nachstehend skizzierter Entscheidung bestätigt der BGH seine Rechtsprechung, dass im Rahmen von kontokorrentähnlichen Darlehensverhältnissen für die Höhe des Anfechtungsanspruch nicht die Summe der geleisteten Zahlungen, sondern der höchste Saldo im Anfechtungszeitraum maßgeblich ist, soweit dieser bis zum Ende des Anfechtungszeitraums (endgültig) zurückgeführt worden ist. Zugleich stellt er fest, dass marktübliche Zinszahlungen an den Gesellschafter nicht der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO unterfallen.

Kurzsachverhalt:

Die Parteien des Rechtsstreits sind jeweils Insolvenzverwalter, die im Wesentlichen gruppeninterne Streitigkeiten zum Bestehen von Anfechtungsansprüchen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Entscheidung gestellt haben. Klägerin ist die Verwalterin über das Vermögen der Tochtergesellschaft. Sehr verkürzt dargestellt, erhielt die Tochtergesellschaft zwischen 2012 und 2013 über 600 Zahlungen der Muttergesellschaft in einem Gesamtvolumen von 356,3 Mio. €. Die Tochtergesellschaft leitete hierauf mit einer Vielzahl von Rückzahlungen einen Betrag von ca. 356 Mio. EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 3 Mio. EUR. Zahlung und Rückzahlung erfolgten teilweise sogar taggleich.

Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle in Bezug auf die an die Muttergesellschaft gezahlten 359 Mio. EUR und stützt Ihre Auffassung dabei auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Der Beklagte hat u.a. die Nichtigkeit des Darlehensvertrages sowie die Anfechtbarkeit der Darlehensauszahlungen eingewandt. Das Landgericht hatte insoweit einen Betrag in Höhe von ca. 73 Mio. EUR zur Tabelle festgestellt und ansonsten die Klage abgewiesen. Die durch das Berufungsgericht zugelassene Revision beider Parteien führte zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Kurzdarstellung der Entscheidungsgründe:

Mit der vorliegenden siebenundfünfzigseitigen Entscheidung hat der BGH eine Reihe von anfechtungsspezifischen Fragen behandelt und teilweise grundlegende Rechtsklarheit in Bezug auf höchstrichterlich noch nicht entschiedene Sachverhalte geschaffen.

  1. Nach den Leitsätzen der Entscheidung ist jede Forderung eines Gesellschafters auf Rückzahlung eines vom Gesellschafter aus seinem Vermögen der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Geldbetrags darlehensgleich, sofern ein solcher Rückzahlungsanspruch durchgängig seit der Überlassung des Geldes bestand und sich Gesellschafter und Gesellschaft von vornherein einig waren, dass die Gesellschaft das Geld zurückzuzahlen habe. Der BGH stellt damit klar, dass unabhängig vom Rechtsgrund der Forderung des Gesellschafters ein insolvenzrechtlicher Nachrang eintreten und im Falle einer Zahlung auf diese Forderung die Folgen des § 135 InsO eintreten kann. Ausschlaggebend für den BGH ist, dass wie bei einem Darlehen zeitweise ein Kapitalwert zur Nutzung überlassen wird. Der Nachrang beruhe auf der Bereitschaft des Gesellschafters, der Gesellschaft Mittel zur Finanzierung zur Verfügung zu stellen. Dies richte sich nicht nach der rechtlichen Form etwaiger Geldgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, sondern der wirtschaftlichen Funktion des Geschäfts. Der tragende Grund der Nachrangigkeit im Insolvenzfall liege darin, dass der Gesellschafter mit seiner Finanzierungsentscheidung die Kapitalausstattung der eigenen Gesellschaft verbessert habe.
  2. Nehmen Gesellschafter und Gesellschaft taggleiche Hin- und Herzahlungen im Rahmen des gleichen darlehensähnlichen Verhältnisses ohne wirksamen anderen Rechtsgrund vor, kommt nach der Rechtsprechung des BGH eine darlehensgleiche Forderung nur in Höhe des Saldos in Betracht. Solange die kontokorrentähnliche Handhabung eingehalten wird, komme es allein auf den Vergleich zwischen dem Höchststand des Darlehens und dem Stand am Ende des Anfechtungszeitraums an. Der Umfang der Anfechtung richte sich maßgeblich nach dem vom Gesellschafter übernommenen Insolvenzrisiko (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO Rn. 26; vom 4. Juli 2013, aaO). Demgemäß hat der Bundesgerichtshof in seinen bisherigen Entscheidungen darauf abgestellt, inwiefern der Masse Mittel im Umfang des höchsten zurückgeführten Darlehensstandes wieder entzogen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO; vom 4. Juli 2013, aaO), nicht hingegen, auf welchen niedrigsten Stand das Darlehen innerhalb des Anfechtungszeitraums gefallen war.
  3. Vertragliche Ansprüche eines Gesellschafters auf marktübliche Zinsen für das von ihm gewährte Gesellschafterdarlehen stellen nach dem vorliegenden Urteil keine einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellte Forderung dar, sofern sie nicht erst zu außerhalb jeder verkehrsüblichen Handhabung liegenden Zinsterminen gezahlt werden. Eine Gleichbehandlung von Darlehen und Zins sei nicht gerechtfertigt. Darlehenszinsen führen dazu, dass die mit der Überlassung des Darlehenskapitals auf Zeit eingeräumte Kapitalnutzung eine entgeltliche Leistung darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2018 - IX ZR 229/17, ZIP 2019, 233 Rn. 25). Sie stellen in erster Linie ein Entgelt für die Nutzung dar. Für die Überlassung eines Gegenstandes zum Gebrauch oder zur Ausübung hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass keine Grundlage besteht, die Tilgung eines Nutzungsentgelts einer Darlehensrückzahlung gleichzustellen (BGH, Urteil vom 29. Januar 2015- IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rn. 69 zu Mietzinsen). Mit dieser Entscheidung schafft der BGH erstmalig Klarheit zur Anfechtbarkeit von Darlehenszinsen zugunsten der Gesellschafter, soweit nicht auch die Zinsforderungen wiederum über einen nicht marktüblichen Zeitraum hinaus gestundet werden.
  4. Ferner stellt der BGH in seinen Leitsätzen fest, dass im Falle der Doppelinsolvenz von Gesellschafter und Gesellschaft die anfechtbare Hingabe des Gesellschafterdarlehens eine Einrede gegen den Anfechtungsanspruch aufgrund der Befriedigung des Anspruchs auf Rückgewähr dieses Darlehens darstellt. In diesem Zusammenhang stellt der BGH heraus, dass durch die Gewährung eines Darlehens eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung in Betracht kommt, wenn die Forderung gegen den Darlehensnehmer im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung für einen Pfändungsgläubiger aus Rechtsgründen nicht durchsetzbar ist oder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht als gleichwertige Gegenleistung für den Verlust der Darlehensvaluta anzusehen ist.

Insolvenzverwalter werden nunmehr Augenmerk darauf legen müssen, ob dem Anfechtungsanspruch des fremden Verwalters ihrerseits die Einrede der Anfechtbarkeit in Bezug auf die Darlehensvergabe entgegenhalten werden kann. Der BGH hat mit dieser grundlegenden Entscheidung dem Rechtsanwender die Abgrenzung zwischen der Kapitalüberlassung und der Zinszahlung vorgegeben und somit Rechtsklarheit geschaffen.

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