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Kommentar
Der Werklohnanspruch des Insolvenzverwalters in der Insolvenz des Bauunternehmers
23.09.2025 BGH, Urteil vom 17. Juli 2025 – IX ZR 70/24
Der Fall dreht sich um einen Dachdeckermeister, über dessen Vermögen im Jahr 2022 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Vor der Insolvenz hatte er Arbeiten auf einer Baustelle als Nachunternehmer ausgeführt und dafür eine Schlussrechnung gestellt. Die Parteien vereinbarten eine Abrechnung nach Einheitspreisen und die Geltung der VOB/B. Die Auftraggeberin verweigerte die Zahlung und rügte allerdings Mängel. er Insolvenzverwalter verlangte daraufhin den restlichen Werklohn.
Das Landgericht und das OLG wiesen die Klage ab: Der Werklohn sei nicht fällig, da keine Abnahme vorliege und der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages abgelehnt habe. Der BGH sieht dies in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2025 jedoch anders und verweist den Rechtsstreit zurück. Kernpunkte der Entscheidung sind:
1. Teilbare Leistungen: Wenn die Leistungen aus einem Vertrag teilbar sind, führt bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einer Aufspaltung des Vertrages. Der vor Insolvenzeröffnung erbrachte Teil ist damit rechtlich getrennt von dem noch offenen Teil zu betrachten.
2. Vergütung ohne Abnahme: Für den vor Insolvenzeröffnung erbrachten Teil kann der Insolvenzverwalter die Vergütung einfordern, ohne dass eine Abnahme durch den Auftraggeber erforderlich ist. Damit wird verhindert, dass der Verwalter gezwungen wird, das gesamte Werk fertigzustellen, nur um die Fälligkeit herbeizuführen. Der BGH leitet dies folgendermaßen her:
§ 103 InsO diene dazu, dem Vertragspartner des Insolvenzschuldners den durch das funktionelle Synallagma vermittelten Schutz zu erhalten, soll es aber vor allem dem Verwalter ermöglichen, den Vertrag zum Vorteil der Masse und damit im Interesse der Gläubigergesamtheit auszuführen (so auch BGH, Urteil vom 16. Mai 2019 - IX ZR 44/18, BGHZ 222, 114 Rn. 21 mwN).
3. Mangelhafte Leistungen: Eine mangelhafte Leistung gilt als teilweise erbracht – im Umfang ihrer Mängelfreiheit. Das bedeutet: Der Wert der erbrachten Leistung ist zu bestimmen und die Mängelbeseitigungskosten sind von vornherein abzuziehen. Übrig bleibt ein sofort fälliger Anspruch auf den geminderten Betrag.
4. Praktische Folgen: Der Insolvenzverwalter kann also den Wert der bis zur Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen zur Masse ziehen, auch wenn das Werk nicht abgenommen ist und auch wenn noch Mängel bestehen. Der Auftraggeber wiederum ist davor geschützt, dass er für mangelhafte Leistungen zu viel zahlt, weil die Kosten der Mängelbeseitigung direkt berücksichtigt werden.
Das Urteil bringt für die Praxis eine wichtige Klarstellung: Die insolvenzrechtliche „Vertragsspaltung“ erlaubt es, Teilleistungen sofort zu monetarisieren, ohne sich mit komplizierten Abnahmeregelungen herumzuschlagen. Das schafft mehr Rechtssicherheit in der Insolvenzverwaltung im Bereich der Baubranche, sowohl für Insolvenzverwalter als auch für Auftraggeber.
Schlussanekdote:
Wenn ein Mandant nun fragt, ob er in der Insolvenz seines Bauunternehmers das halbfertige Dach behalten dürfe und noch bezahlen müsse, lautet die Antwort: „Ja, denn der BGH hat neuerdings entschieden, dass auch teilfertige Leistungen ohne Abnahme einen fälligen Werklohnanspruch in der Insolvenz des Bauunternehmers auslösen – aber immerhin bleibt Ihnen ein schöner Ausblick.“ Manchmal ist das Insolvenzrecht eben wie ein Dach: Es schützt, auch wenn noch ein paar Ziegel fehlen.
Robert F. Westhues
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Wann genau muss Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit vorliegen? Der BGH hat sich mit seiner jüngsten Entscheidung gegen einen Großteil der Literaturmeinungen gestellt.