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Kommentar

Insol­venz­an­fechtung von Ausla­ge­n­er­stat­tungen an geschäfts­füh­r­enden Gesell­schafter

1. Der BGH hat in seinem Urteil vom 10.07.2025, Az. IX ZR 189/24, im Zusammenhang mit der Frage der Anfechtbarkeit gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ausdifferenziert, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch eines geschäftsführenden Gesellschafters gegen eine später insolvente Gesellschaft auf Auslagenerstattung als Forderung zu qualifizieren ist, die einem Gesellschafterdarlehen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wirtschaftlich entspricht. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hat eine Gesellschaft u. a. 15 Einzelüberweisungen mit dem Verwendungszweck „Rückzahlung“ an ihren geschäftsführenden Gesellschafter ausgeführt. Damit wollte die Gesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer Auslagen erstatten, die er zuvor in ihrem Interesse getätigt hatte. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft hat der Insolvenzverwalter u. a. wegen der 15 Einzelüberweisungen Anfechtungsansprüche gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegen den geschäftsführenden Gesellschafter geltend gemacht. In dem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob die Ansprüche des Gesellschafter-Geschäftsführers auf Erstattung der Auslagen Forderungen darstellten, die wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entsprachen. Der BGH hat den Rechtsstreit insofern zur weiteren Sachverhaltsfeststellung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um die genauen Umstände der Auslagenerstattungen und das zugrunde liegende Rechtsverhältnis ermitteln zu lassen. Gleichzeitig hat der BGH anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung die im Folgenden dargestellten Abgrenzungskriterien formuliert. 

2. Für den Fall, dass der geschäftsführende Gesellschafter Verbindlichkeiten der späteren Insolvenzschuldnerin mit eigenen Mitteln erfüllt hat, sind darin darlehensgleiche Gesellschafterleistungen zu sehen. Hintergrund dessen ist, dass der Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Darlehen zur Verfügung gestellt hat, mit dem sie ihre Verbindlichkeiten getilgt hat. Die Erstattung einer solchen Zahlung des Gesellschafters ist ohne Weiteres gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, wenn sie im anfechtungsrelevanten Zeitraum erfolgt ist. Der BGH hat damit seine Entscheidung vom 01.12.2011, Az. IX ZR 11/11, bestätigt. Etwas anderes gilt hingegen, wenn die Insolvenzschuldnerin die Erstattung der Auslagen aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung aus einem zwischen ihr und dem Gesellschafter bestehenden Austauschgeschäft vorgenommen hat. Eine solche Fallkonstellation kommt nach den Erläuterungen des BGH in Betracht, wenn der geschäftsführende Gesellschafter aufgrund seines Dienstverhältnisses oder eines anderen mit der Gesellschaft geschlossenen Austauschvertrages einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB hat. In diesem Fall lagen den von dem Gesellschafter verauslagten Zahlungen von ihm selbst begründete Verbindlichkeiten zugrunde, die ihm jedoch aufgrund eines entsprechenden Vertrages von der Gesellschaft zu erstatten waren. Bei einer solchen Zahlung ist nur dann eine einem Gesellschafterdarlehen vergleichbare Leistung des Gesellschafters anzunehmen, wenn der Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin den Erstattungsanspruch rechtlich oder faktisch gestundet hatte. Hinsichtlich des Stehenlassens bzw. der rechtlichen oder faktischen Stundung von Ansprüchen wiederholt der BGH die bereits bekannten Grundsätze. Danach setzt eine darlehensgleiche Leistung grundsätzlich voraus, dass die Forderung aus dem Austauschgeschäft länger als drei Monate ab Fälligkeit stehen gelassen worden ist. Ausnahmsweise kann auch eine Forderung, die mit einer geringeren Verzögerung gezahlt worden ist, wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entsprechen, wenn andere Indizien dafür sprechen, dass das Stehenlassen der Forderung Finanzierungsfunktion hatte, d. h. der Gesellschafter durch das Stehenlassen die Kapitalausstattung der Gesellschaft verbessern wollte. 

3. Der BGH unterstreicht mit dem Urteil, dass die Umstände, die den Zahlungen an Gesellschafter im anfechtungsrelevanten Zeitraum des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zugrunde liegen, im Einzelfall genau zu prüfen sind. Die aktuelle Fallkonstellation nimmt er zum Anlass, die Abgrenzungskriterien für die Einordnung von Erstattungszahlungen einer insolventen Gesellschaft an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer zu konkretisieren.

Ruth Braukmann

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