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Kommentar

(Kein) erneutes Insol­venzgeld im Falle der Zweit-Insolvenz nach Freigabe gem. § 35 Abs. 2 InsO

In dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall geht es vordergründig um das Rechtsverhältnis zwischen der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit in Bezug auf Sozialversicherungsbeiträge, die von der Arbeitsagentur zusätzlich zum Insolvenzgeld, das netto an die Mitarbeiter gezahlt wird, zu entrichten sind. Entscheidungserheblich ist die bis dato ungeklärte Rechtsfrage, ob im Falle einer Zweit-Insolvenz nach einer erfolgten Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners gemäß § 35 Abs. 2 InsO ein nochmaliger Anspruch auf Insolvenzgeld zugunsten der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer entsteht.

Nach der Überzeugung des Bundessozialgerichts ist hierfür Voraussetzung, dass ein neues Insolvenzereignis im materiell-rechtlichen Sinne vorliegt. Ein solches könne nicht angenommen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners (bezogen auf die Alt-Verbindlichkeiten aus dem ersten Insolvenzverfahren) ununterbrochen fortbesteht; solange sei eine Sperrwirkung zu beachten. Im Ergebnis hat das Bundessozialgericht damit seine Rechtsprechung zu der Zweit-Insolvenz nach einem erfolgreichen Insolvenzplanverfahren auf den Fall der Zweit-Insolvenz nach erfolgter Freigabe der selbstständigen Tätigkeit gem. § 35 Abs. 2 InsO übertragen. Dass die Insolvenzverfahren bzw. Haftungsmassen im Falle einer Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO zivilrechtlich strikt voneinander zu trennen sind, lasse keine unterschiedliche Bewertung zu.

Die in der Praxis gebräuchliche Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO hat nach der Rechtsprechung zur Folge, dass die betriebsbezogenen Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch die Arbeitsverhältnisse zählen, nach Insolvenzeröffnung wieder auf den Insolvenzschuldner zurück übergehen. Die weiterbeschäftigten Mitarbeiter stehen im Falle einer erneuten Insolvenz auf der Grundlage dieser Entscheidung zumindest in der Anfangszeit (bis zur Restschuldbefreiung im Erstverfahren?) weitgehend schutzlos da. Soweit bei der nochmaligen Insolvenzantragstellung offene Lohn-/Gehaltsansprüche bestehen, können diese - ebenso wie die weiteren aus der Zeit bis zur Eröffnung des Zweit-Verfahrens - nur zur Insolvenztabelle angemeldet werden und werden üblicherweise allenfalls mit einer sehr geringen Quote bedient.

Einerseits ist nachvollziehbar, dass die Bundesagentur für Arbeit vor „Ketten-Insolvenzen" geschützt werden soll. Andererseits besteht ein nur schwer begründbarer Wertungswiderspruch zu den Fällen der sog. Übertragenden Sanierung, bei denen der Geschäftsbetrieb des Insolvenzschuldners auf einen neuen Rechtsträger (z.B. UG oder GmbH) übertragen wird und allein deswegen stets von einem erneuten Insolvenzereignis ausgegangen wird.

Auf den fehlenden Insolvenzschutz sollten die betroffenen Mitarbeiter vom Insolvenzverwalter hingewiesen werden, damit sie in Kenntnis aller Umstände entscheiden können, ob sie das vorbeschriebene Risiko eingehen oder lieber ein anderweitiges Arbeitsverhältnis begründen möchten.

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