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Kommentar

Keine Ausnahme für den Gläubi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vorsatz des zahlung­s­un­fähigen Schuldners bei Belie­ferung unter verlän­gertem und erwei­tertem Eigen­tums­vor­behalt mit Konto­kor­rent­klausel

I. Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Die Schuldnerin stellte Backwaren her und bezog von der Beklagten diverse Backzutaten. Die Beklagte lieferte ihre Waren im Rahmen eines durch allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbarten verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalts mit Kontokorrentklausel. Es bestanden Zahlungsrückstände der Schuldnerin. In der Folgezeit zog die Beklagte ihre Forderungen im Lastschriftverfahren von dem Konto der Insolvenzschuldnerin ein. Es kam zu einer Vielzahl von Rücklastschriften, von welchen auch die Beklagte betroffen war. Die Schuldnerin glich nach dem Eingang von Erlösen aus ihren Warenverkäufen ausgewählte Forderungen durch erneute Vorlage der Lastschriftermächtigung oder durch Scheckzahlung aus, so auch die durch den Kläger angefochtenen Zahlungen an die Beklagte.

Der BGH gab dem auf Rückzahlung klagenden Insolvenzverwalter mit der Begründung Recht, dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen die Voraussetzungen des § 133 InsO vorgelegen hätten.

Der BGH bestätigt zunächst seine Rechtsprechung, dass für einen Schuldner, der das aus der Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit folgende starke Beweisanzeichen für Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bei der Befriedigung eines Gläubigers entfallen kann, wenn der mit diesem vorgenommene Leistungsaustausch bargeschäftsähnlichen Charakter hat und zur Fortführung des Unternehmens notwendig ist.

Gleichzeitig stellt der BGH aber fest, dass für einen bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch dann kein Raum ist, wenn es wegen eines verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalts des Geschäftspartners an dem erforderlichen unmittelbaren Austausch gleichwertiger Leistungen fehlt. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bleibt sogar bei einer bargeschäftsähnlichen Situation bestehen, sofern der Schuldner weiß, dass mit der Fortführung des Unternehmens weitere Verluste anfallen, die für die Gläubiger auch auf längere Sicht ohne Nutzen sind. 

II. Stellungnahme
Die vorstehende Entscheidung des BGH führt zu einer deutlichen Verschärfung der Anfechtungsrisiken für Warenlieferanten sowohl im Rahmen der Deckungs- als auch der Vorsatzanfechtung.

Dem BGH stellt fest, dass die Vereinbarung eines Kontokorrentvorbehaltes den Bargeschäftscharakter von Lieferung und Zahlung entfallen lässt. Denn die Zahlung des Schuldners an den Lieferanten erfolgt nicht unmittelbar als Gegenleistung für die tatsächlich gelieferten Waren, sondern erstreckt sich zunächst auf die Altforderungen aus der Geschäftsbeziehung. Eigentum an den gelieferten Waren erwirbt der Schuldner erst nach Begleichung der gesamten Rückstände aus der Geschäftsbeziehung. Damit besteht zwischen Zahlung und Lieferung kein Gleichwertigkeitsverhältnis. Dies hat auch Auswirkungen auf die Deckungsanfechtung nach § 130 InsO. Durch  den Wegfall des Bargeschäftseinwandes entfällt der Anfechtungsschutz in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantragstellung.

Auch entfällt der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des (drohend) zahlungsunfähigen Insolvenzschuldners schon dann nicht, wenn der Geschäftsbetrieb weiter unrentabel arbeitet und Verluste erwirtschaftet unabhängig von der Frage des Bargeschäftseinwandes. Denn der Schuldner nimmt im Rahmen der Rechtshandlung billigend in Kauf, durch die Fortführung seine ungedeckten Verbindlichkeiten dauerhaft zu erhöhen und die anderen Gläubiger weiter zu benachteiligen.

Der BGH stellt anlässlich dieser Entscheidung auch nochmal klar, dass im Falle der Zahlung des jeweiligen Kunden auf die im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehalts sicherungszedierte Forderung diese zudem zu Ungunsten des Lieferanten auch mit Wirkung ihm gegenüber gemäß § 362 Abs. § 407 Abs. 1 BGB erlischt. Zugleich ging sein daran bestehendes Absonderungsrecht unter. Durch den berechtigten Forderungseinzug der Insolvenzschuldnerin entstand auch kein Ersatzabsonderungsrecht, da die Schuldnerin sowohl zur Weiterveräußerung als auch zum Forderungseinzug berechtigt war. Der Eigentumsvorbehaltslieferant hat somit keine Sicherungsrechte.

Der Schuldner des Anfechtungsanspruches kann einer erfolgreichen Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter bei dieser Sachlage nur durch gezielte im Einzelfall abgestimmte Maßnahmen entgehen. Schädlich sind aber immer schon Indizien für eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes. Durch ein zielgerichtetes Debitorenmanagement können Anfechtungsrisiken begrenzt werden.

Der BGH verfolgt mit dieser Rechtsprechung das Ziel, eine weitere Insolvenzverschleppung des Schuldners zu verhindern.

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