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Kommentar

Keine Hemmung der Verjährung durch Anzeige der Masse­un­zu­läng­lichkeit oder Aufnahme in die „Masse­schuld­ta­belle“

Reicht die vorhandene Insolvenzmasse nicht einmal aus, um die bevorrechtigten Ansprüche aus der Zeit nach Insolvenzeröffnung (Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO) vollständig zu erfüllen, liegt Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO vor (sog. „Insolvenz in der Insolvenz“). Die Masseunzulänglichkeit ist dem Insolvenzgericht vom Insolvenzverwalter anzuzeigen und sodann den betroffenen Gläubigern bekannt zu machen. Nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit dürfen zunächst nur die Ansprüche der Neugläubiger aus der Zeit nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit berichtigt werden. Auf die Ansprüche aus dem Zeitraum zwischen der Insolvenzeröffnung und der Anzeige der Masseunzulänglichkeit (Altmasseverbindlichkeiten gemäß §§ 209 Abs.1 Nr. 3, 55 InsO) entfällt nur eine Quote, die erst am Ende des Insolvenzverfahrens ausgezahlt wird. Die Altgläubiger, die zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung bereits vorhanden waren (Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO), gehen leer aus.

Sobald die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden, tritt nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB eine Hemmung der Verjährung ein. Im Falle der Masseunzulänglichkeit treten die Altmasseverbindlichkeiten wirtschaftlich betrachtet auf die Stufe der Insolvenzgläubiger zurück. Aus diesem Grund hatte ein Teil der Literatur aufgrund der vergleichbaren Interessenlage die entsprechende Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB für geboten erachtet. Mit Urteil vom 14.12.2017 – IX ZR 118/17 – hat der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs („BGH“) entschieden, dass die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht zu einer Hemmung der Verjährung der Altmasseverbindlichkeiten führt. Der BGH hat sich damit der Gegenauffassung angeschlossen, nach der eine entsprechende Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB ausscheidet, da die Altmasseverbindlichkeiten – anders als die Insolvenzforderungen –nicht in einem geregelten Verfahren zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Soweit der Insolvenzverwalter die Altmasseverbindlichkeiten in ein Verzeichnis (sog. „Masseschuldtabelle“) aufnimmt, wird die Verjährung hierdurch nicht gehemmt, selbst wenn er die Aufnahme der Ansprüche den Gläubigern mitteilt. Sonstige Hemmungstatbestände, insbesondere diejenigen der §§ 205, 206 BGB, seien ebenfalls nicht einschlägig.

Da eine mehrjährige Verfahrensdauer ab einer gewissen Größenordnung die Regel ist, führt die Rechtsprechung des BGH für Altmassegläubiger zu der misslichen Lage, dass diese ggf. Maßnahmen ergreifen müssen, um den Eintritt der Verjährung ihrer Ansprüche zu verhindern, obwohl der Insolvenzverwalter diese Ansprüche aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht erfüllen kann bzw. darf. Dies geschieht notfalls durch die Erhebung einer Feststellungsklage. Selbst wenn die Altmasseverbindlichkeiten an sich unstreitig sind, ist ein Feststellungsinteresse für eine solche Klage gegeben, eben weil ansonsten Verjährung droht. Der einfachere, kostengünstigere und schnellere Weg ist es freilich, den Insolvenzverwalter zur Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung o. Ä. aufzufordern. Der Insolvenzverwalter wird eine solche Erklärung in aller Regel abgeben, um die Erhebung von Feststellungsklagen und die damit verbundene Kostenbelastung der Masse zu verhindern.

Die Entscheidung des BGH erweist sich als dogmatisch zutreffend, die mit ihr einhergehende Rechtssicherheit ist zu begrüßen. Die Gleichstellung der Altmassegläubiger mit den Insolvenzgläubigern hinsichtlich der Hemmung der Verjährung ihrer Ansprüche würde den Aufwand für alle Beteiligten deutlich verringern, sie ist allerdings Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Justiz, die sich im Rahmen des geltenden Rechts zu bewegen hat.

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