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Kommentar

Unent­gelt­lichkeit der Übertragung einer vertrag­lichen Rechts­stellung

In einem neuen Urteil vom 1. März 2018, IX ZR 207/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Übertragung einer vertraglichen Rechtsstellung des späteren Insolvenzschuldners, dann als unentgeltliche Leistung im Sinne den § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar sein kann, wenn die vom Dritten übernommen Rechtspflichten im Verhältnis zu den dadurch erlangten Rechtspflichten ausreichendende Gegenleistung darstellen. Der BGH hält in diesem Urteil ferner an seiner Rechtsprechung fest, dass der Begriff „Vertrag" im Sinne des § 133 Abs. 2 InsO weit auszulegen ist und demnach auch zustimmungspflichtige Verträge im Drei-Personen-Verhältnis dem Anwendungsbereich unterfallen.

Im vorliegenden Fall hatte die Insolvenzschuldnerin im Oktober 2011 eine Lagerhalle gemietet und diese in der Folge untervermietet. Die monatliche Miete für den Hauptmietvertrag betrug 7.588,00 € und für den Untermietvertrag 11.382,00 €, sodass durch die Untervermietung monatlich ein Gewinn in Höhe von 3.794,00 € erwirtschaftet wurde. Im November 2011 übertrug die Insolvenzschuldnerin die zwei Mietverträge mit Zustimmung des Vermieters und der Untermieterin unter gleichbleibenden Konditionen auf eine Schwestergesellschaft. Der Geschäftsführer der Schwestergesellschaft war gleichzeitig der Alleingesellschafter der Insolvenzschuldnerin.

Der Insolvenzverwalter hatte mit seiner Klage die Übertragung der beiden Mietverträge angefochten und Wertersatz, hilfsweise Schadensersatz geltend gemacht.

Das Berufungsgericht hat die Anfechtung gemäß § 134 InsO mit der Begründung abgelehnt, dass die Schuldnerin gegenüber der beklagten Schwestergesellschaft keine unentgeltliche Leistung erbracht habe. Die Unentgeltlichkeit sei nicht gegeben, da die Beklagte durch die Vertragsübernahme nicht nur deren Rechte, sondern auch deren Pflichten übernommen hat. Darin sei eine angemessene Gegenleistung zu sehen. Die Anfechtung der Vertragsübernahme nach § 133 Abs. 2 InsO hat das Berufungsgericht mit der Begründung verneint, dass es sich vorliegend nicht um einen entgeltlichen Vertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten handle, sondern um ein dreiseitiges Geschäft, das von der Zustimmung des Vermieter und der Untermieterin abhinge.

Der BGH ist dieser Einschätzung entgegengetreten. Er vertritt die Auffassung, dass in der überschüssigen Mietdifferenz in Höhe von 3.794,00 € ein Gewinn zu sehen sei, welcher der Insolvenzschuldnerin durch die Übertragung der Mietverträge auf die Beklagte verloren ging. Diesen monatlichen Gewinn hat die Insolvenzschuldnerin ohne Erhalt einer adäquaten Gegenleistung aufgegeben. Dies hat der BGH als unentgeltliche Leistung der Insolvenzschuldnerin i. S. d. § 134 InsO eingestuft. Der BGH betont in diesem Urteil aber nochmal, dass Leistung und Gegenleistung dabei nicht durch ein vertragliches Synallagma verknüpft sein müssen.

Die Voraussetzungen von § 133 Abs. 2 InsO sieht der BGH vorliegend ebenfalls als erfüllt an. Der BGH hält daran fest, dass der Begriff „Vertrag" in § 133 Abs. 2 InsO weit zu verstehen ist. Der Begriff deckt jegliche Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners ab, die in Übereinstimmung mit dem Willen des Anfechtungsgegners vorgenommen wurden, und erfasst sogar Rechtshandlungen Dritter, sofern der Schuldner an ihnen einvernehmlich mitgewirkt hat. Nichts anderes kann für Verträge, die zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung eines Dritten bedürfen, gelten. Auch diese unterfallen dem „Vertragsbegriff". Die Übertragung der Vertragsverhältnisse stellt darüber hinaus eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung dar. Die Insolvenzschuldnerin hat durch die Vertragsübertragung den wertigen Anspruch auf Zahlung der Untermiete verloren und dafür keine wertausgleichende/wertersetzende Gegenleistung bekommen.

Fälle dieser Art sind in der Praxis sicherlich eher selten anzutreffen. Die Entscheidung zeigt dennoch deutlich, dass der BGH den Gedanken der Gläubigergleichbehandlung durch eine weite Auslegung des Anfechtungsrechts tatsächlich Geltung verschaffen will.

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