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Kommentar

Vermutung der Kenntnis vom Gläubi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vorsatz

1. Der BGH hat sich in seinem Beschluss vom 12.01.2023, Az. IX ZR 71/22, zu der Frage geäußert, was dem Anfechtungsgegner bekannt gewesen sein muss, damit die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO eingreift und seine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners widerleglich vermutet wird.
Dieser Entscheidung lag eine Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO zugrunde. Zwischen den Parteien war das Vorliegen sowohl des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Insolvenzschuldners als auch der entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners streitig. Das Berufungsgericht hatte festgestellt, dass weder der Insolvenzschuldner bei der angefochtenen Rechtshandlung mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt noch der beklagte Anfechtungsgegner von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners Kenntnis gehabt habe. Bezüglich der fehlenden Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz hat das Berufungsgericht argumentiert, dass der Beklagte im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtshandlung von der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners nichts gewusst habe. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des klagenden Insolvenzverwalters mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Berufungsgericht jedenfalls zutreffend die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verneint habe.

2. Der BGH hat die Entscheidung genutzt, um klarzustellen, dass die Neuausrichtung der Rechtsprechung zu § 133 InsO, die mit dem Urteil vom 06.05.2021, Az. IX ZR 72/20, begonnen hat, nicht die Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO betrifft. Lediglich für den Vollbeweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes und der entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners sei der Bezugspunkt des Vorsatzes um das Zukunftselement erweitert worden.  Das bedeutet, dass nur der Vollbeweis neben der erkannten Zahlungsunfähigkeit voraussetzt, dass der Insolvenzschuldner im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch zukünftig nicht vollständig befriedigen zu können. Entsprechendes gilt für den Vollbeweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO erleichtert nach den Ausführungen des BGH hingegen weiterhin den Nachweis der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Für die Begründung der widerleglichen Vermutung reicht es nach wie vor aus, dass der Insolvenzverwalter darlegt und beweist, dass der Anfechtungsgegner die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die gläubigerbenachteiligende Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung zum maßgeblichen Zeitpunkt kannte.

3. Auch wenn die Entscheidungsgründe des BGH im Urteil vom 06.05.2021, Az. IX ZR 72/20, die unveränderte Geltung der Vermutungsregelung des § 133 Abs .1 S. 2 InsO impliziert haben und der Richter am BGH Dr. Volker Schultz dies in seinem Aufsatz (ZInsO 2022, 1434) bereits bestätigt hat, ist die nunmehr erfolgte Klarstellung zu begrüßen. Der Umstand, dass der BGH in diesen Beschluss ergänzende Erläuterungen zum Verhältnis zwischen der Neuausrichtung der Rechtsprechung und dem Vermutungstatbestand aufgenommen hat, ohne dass der vorliegende Fall dazu zwingend Anlass gegeben hatte, zeigt, dass er die Notwendigkeit zur Ausräumung entsprechender Rechtsunsicherheiten erkannt hatte. 
 

Ruth Braukmann

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