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Kommentar

Vorsatz­an­fechtung auch bei einge­schränkter Wieder­auf­nahme der Zahlungen – zur Beweislast und barge­schäft­s­ähn­licher Lage; zur Proble­matik der Verein­barung eines erwei­terten Eigen­tums­vor­be­halts durch AGB

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17.11.2016 - IX ZR 65/15 seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Vereinbarung eines verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalts in Form des sogenannten Kontokorrentvorbehalts das Bargeschäft ausschließen kann und somit den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der späteren Insolvenzschuldnerin zu Lasten des Lieferanten nicht auszuschließen vermag.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 21. April 2010 über das Vermögen der S. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 13. Juli 2010 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Schuldnerin bezog im Rahmen der seit 2003 bestehenden Geschäftsbeziehung Möbelkomponenten von dem Beklagten. Die Lieferungen erfolgten gemäß § 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten (nachfolgend: AGB) unter verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt.

In den Jahren 2004 und 2005 geriet die Schuldnerin in eine wirtschaftliche Schieflage. Das Finanzamt kündigte die Stellung eines Insolvenzantrags an. Um diesen abzuwenden leitete die Schuldnerin Sanierungsmaßnahmen ein, die im Wesentlichen in Teilforderungsverzichten der Hausbank und einiger Lieferanten und in dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der Schuldnerin durch deren Hauptlieferantin bestanden. Aufgrund der Zahlungsprobleme wandte sich die Schuldnerin im Jahr 2005 auch an den Beklagten. Sie hatte dessen Rechnungen zunächst vereinbarungsgemäß bezahlt; zuletzt waren allerdings Rückstände aufgelaufen. Ab dem Jahr 2006 bestand eine Vereinbarung, dass die Schuldnerin fortan Lieferungen erst im Zusammenhang mit Neubestellungen bei dem Beklagten zu bezahlen hatte. Über die Höhe der Zahlungen stimmten sich die Schuldnerin und der Beklagte jeweils telefonisch ab. Die Liquiditätssituation der Schuldnerin blieb dennoch angespannt. Im Dezember 2007 gelang es ihr einmalig, die aufgelaufenen Verbindlichkeiten bei dem Beklagten vollständig auszugleichen. In der Folgezeit wuchs der Rückstand der Schuldnerin bei der Beklagten trotz Teilzahlungen wieder auf einen fünfstelligen Betrag an.

Mit seiner Klage hat der Kläger den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung auf Erstattung der in der Zeit vom 2. Januar 2007 bis 4. September 2009 erhaltenen Zahlungen in Höhe von insgesamt 270.883,16 € in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Zahlungen ab Januar 2008 in Höhe von 130.904,09 € stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten nur die Zahlungen ab Juli 2008 in Höhe von 84.904,09 € als anfechtbar angesehen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Kurzanmerkung:

Der BGH bestätigt mit diesem Urteil im Wesentlichen seine Rechtsprechungsgrundsätze zur Prüfung und Bewertung von anfechtungsrelevanten Sachverhaltskonstellationen der letzten Jahre:

Danach sind für die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit nicht nur die vereinbarten Zahlungen gegenüber dem Gläubiger zu erbringen, sondern der Schuldner muss zumindest auch den wesentlichen Teil seiner übrigen Verbindlichkeiten bedienen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, ZInsO 2012, 2244 Rn. 18 [BB 2012, 3157 m. BB-Komm. Krüger/Riewe]; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190 Rn. 36 [BB 2013, 525 m. BB-Komm. Rühle]; vom 24. März 2016 - IX ZR 242/13, ZInsO 2016, 910 Rn. 11 mwN). 

Die Darlegungs- und Beweislast für die Wiederaufnahme der Zahlungen gegenüber allen Gläubigern hat der Anfechtungsgegner als derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich hierauf beruft (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 33; vom 17. Dezember 2015 - IX ZR 61/14, ZInsO 2016, 214 Rn. 27; vom 25. Februar 2016 - IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 Rn. 24; vom 24. März 2016, aaO).

Für die Annahme, die ein gewerbliches Unternehmen betreibende Schuldnerin habe ihre Zahlungen auch im Allgemeinen wieder aufgenommen, reicht es nicht aus, dass es der Schuldnerin einmalig gelang, die offenen Verbindlichkeiten aus der Geschäftsbeziehung mit dem Beklagten vollständig zurückzuführen, (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 42).

Damit legt der BGH die Messlatte für den sich gegen eine Insolvenzanfechtung verteidigenden Lieferanten hoch an, zumal dieser keine Einblicke in das sonstige Zahlungsverhalten der späteren Insolvenzschuldnerin haben dürfte.
Auch bestätigt der BGH seine Rechtsprechung dahingehend, dass zwar grundsätzlich das Vorliegen eines Bargeschäftes bzw. einer bargeschäftsähnlichen Lage den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auszuschließen vermag, jedoch die (übliche) Vereinbarung eines verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des sogenannten Kontokorrentvorbehalts das Bargeschäft ausschließt. Denn es fehlt an dem für das Bargeschäft erforderlichen unmittelbaren Austausch zwischen Leistung und Gegenleistung. Zudem ist die erbrachte Gegenleistung nicht gleichwertig, wenn der Schuldner erst mit der Zahlung aller oder zumindest bestimmter anderer Ansprüche aus der Geschäftsverbindung als der konkreten Kaufpreisforderung Eigentum an den erstandenen Sachen erwerben soll (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015, aaO Rn. 24). Da in den meisten AGBs der Lieferanten sich entsprechenden Klauseln finden, führt dies faktisch dazu, dass der Bargeschäftseinwand in der Praxis dem Lieferanten nicht helfen wird.

Auch insoweit bestätigt der BGH mit vorstehendem Urteil seine insolvenzverwalterfreundliche Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung. Inwieweit die zwischenzeitlich beschlossene Gesetzesänderung hier Abhilfe schaffen wird, bleibt abzuwarten.

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