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Kommentar

Vorsatz­an­fechtung - Keine Kenntnis von Gläubi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vorsatz bei barge­schäft­s­ähn­lichen Geschäften, wenn Gläubiger von Renta­bi­lität des Schuldners ausgehen darf.

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 04.05.2017 - IX ZR 285/16 seine Rechtsprechung zur Feststellung der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erweitert, wonach bei bargeschäftsähnlichen Geschäften der Gläubiger trotz Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz grundsätzlich auch das Wissen voraussetzt, dass die Belieferung des Schuldner mit gleichwertigen Waren für die übrigen Gläubiger nicht von Nutzen ist, weil der Schuldner fortlaufend unrentabel arbeitet und weitere Verluste erwirtschaftet.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 5. März 2012 am 6. Juni 2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb einen Getränkehandel. Der Beklagte belieferte sie in ständiger Geschäftsbeziehung mit Getränken. Im Zeitraum der Krise belieferte der Beklagte die Schuldnerin wiederholt gegen Vorkasse. Der Kläger verlangt den Gesamtbetrag der insoweit geleisteten Zahlungen vom Beklagten zurück.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

Kurzanmerkung:

Der BGH hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte trotz erkannter Zahlungsunfähigkeit ausnahmsweise keine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz hatte. Er knüpft damit an seiner bisherigen Rechtsprechung an, wonach in Fällen kongruenter Leistung  und Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit, ein Schuldner dann nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt, wenn er seine Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nutzt. In diesen Fällen wird angenommen, dass dem Schuldner aufgrund des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung regelmäßig nicht bewusst ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2015, IX ZR 61/14, BGH, Urteil vom 17.11.2016, IX ZR 65/15). Jedoch gilt diese Ausnahme nicht, wenn dem Schuldner bewusst war, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeitet und mittels der durch bargeschäftsähnlichen Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäuft (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2015, a.a.O.). Dies dürfte etwa der Fall sein, wenn dem Schuldner bewusst ist, dass er die gelieferte Ware nicht mehr verkaufen können wird. Für die Kenntnis des Anfechtungsgegners werden die gleichen Grundsätze angewandt: Zwar indiziert die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der drohenden Zahlungsunfähigkeit regelmäßig die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung, jedoch ist dieser Schluss im Fall eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausches nicht gerechtfertigt. Auch dem Gläubiger wird eine gläubigerbenachteiligende Wirkung bei gleichwertigem Leistungsaustausch regelmäßig nicht bewusst. Die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO ist in diesen Fällen nicht anwendbar.

Mit dem nun erfolgten Urteil wird der beteiligte Gläubiger noch weiter in Schutz genommen. Die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz soll nur dann noch anzunehmen sein, wenn der Gläubiger zudem wusste, dass der Schuldner unrentabel arbeitet bzw. bei der Fortführung seiner Geschäfte weitere Verluste erwirtschaften wird. Nur dann weiß er auch, dass der bargeschäftsähnliche Leistungsaustausch den übrigen Gläubigern nichts nutzt, sondern ihnen aufgrund des an ihm vorgenommenen Zahlungsabflusses schadet.  

Für die Praxis bleibt festzuhalten, dass die Insolvenzanfechtung im Falle eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausches deutlich erschwert wird. Die vorliegende Entscheidung des BGH ist damit vor dem Hintergrund der Reform der Vorsatzanfechtung (Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz, G. v. 29.03.2017, BGBl. I S. 654 (Nr. 16), Geltung ab 05.04.2017) zu betrachten, dessen erklärtes Ziel die Einschränkung der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO ist. Der Lieferant als Gläubiger wird sich im Zweifel darauf berufen können, dass er davon ausging, dass der schuldnerische Geschäftsbetrieb rentabel ist oder zumindest in Nahe Zukunft wieder in die Gewinnzone gelangen wird. Es genügt auch, dass er sich gar keine Vorstellung von der der geschäftlichen Entwicklung macht, denn zugleich stellt der BGH fest, dass in jedem Fall der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen muss, dass der Gläubiger Kenntnis von der defizitären Unternehmensfortführung hatte. Das wird dem Insolvenzverwalter regelmäßig schwer fallen.

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