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Kommentar

Wider­legung der Vermutung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO

1. In seinem Urteil vom 07.05.2020 (Az. IX ZR 18/19) hat sich der BGH zum ersten Mal mit der Auslegung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO n. F. auseinandergesetzt. Dabei ging es vor allem um die Frage, unter welchen Umständen der Insolvenzverwalter die Vermutung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO widerlegen kann.

In dem entschiedenen Fall hat der Insolvenzverwalter gegenüber einer Bank als Darlehensgeberin drei von dem Insolvenzschuldner aufgrund einer Ratenzahlungsvereinbarung geleistete Raten in Höhe von jeweils 350,00 € gemäß § 133 InsO n. F. angefochten. Im Vorfeld des Abschlusses der Ratenzahlungsvereinbarung war es in den Monaten April und Mai 2016 bei vier Einziehungsversuchen der Bank in Höhe von jeweils 266,00 € zu Lastschriftrückbuchungen gekommen. Bezüglich der Raten für die Monate Juni, Juli und August 2016, die jeweils zum 1. des Monats fällig geworden waren, hatte die Bank keine Einziehungsversuche mehr unternommen. Nachdem die Bank das Darlehen mit Schreiben vom 03.08.2016 gekündigt hatte, hatte der Insolvenzschuldner mit der Bank die streitgegenständliche Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen.

2. Vorliegend war zwischen den Parteien streitig, ob die beklagte Bank im Zeitpunkt der angefochtenen Ratenzahlungen von der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners wusste. Diese Kenntnis ist bei kongruenten Deckungshandlungen u. a. notwendig, um die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 InsO hinsichtlich der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu begründen. Der neu eingefügte § 133 Abs. 3 S. 2 InsO regelt hingegen, dass vermutet wird, dass der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte, wenn er mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder ihm in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt hat. Die Auslegung und Tragweite der Vermutungswirkung war seit der Einführung der Regelung in der Literatur umstritten. Die beklagte Bank hat deshalb die Auffassung vertreten, dass durch den Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung unabhängig vom bisherigen Geschehen vermutet würde, dass sie keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners hatte, und der Insolvenzverwalter diese Vermutung nur durch Umstände widerlegen könnte, die dem Anfechtungsgegner nach der Zahlungsvereinbarung bekannt geworden sind.

Der BGH ist dem entgegengetreten, indem er unter Verweis auf die Gesetzesbegründung ausgeführt hat, dass sich der Insolvenzverwalter auf sämtliche Umstände mit Ausnahme des Abschlusses der Zahlungsvereinbarung bzw. der Gewährung der Zahlungserleichterung berufen kann, um die Vermutung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO zu widerlegen. Der Sinn und Zweck des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO bestehe lediglich darin, dass der Insolvenzverwalter den Beweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die der Gewährung typischerweise zugrunde liegende Bitte des Schuldners stützen könne.

Infolgedessen hat der BGH im vorliegenden Fall die Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO auf die Rücklastschriften in den Monaten April und Mai 2016 sowie die auch in den Monaten Juni bis August 2016 ausgebliebenen Darlehensraten, mithin ausschließlich auf Umstände gestützt, die der beklagten Bank bereits vor dem Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung bekannt waren. Darüber hinaus hat der BGH klargestellt, dass der Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung beim Anfechtungsgegner nicht zum Entfallen der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit geführt habe. Dies sei nur der Fall, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners auf dieser Verbindlichkeit beruht habe. Im entschiedenen Fall sei die Zahlungsunfähigkeit aber bereits vor der Kündigung des Darlehensvertrages eingetreten gewesen, als der Insolvenzschuldner lediglich Raten in Höhe von 266,00 € pro Monat tilgen musste. Infolge der Ratenzahlungsvereinbarung habe er schließlich sogar monatliche Raten in Höhe von 350,00 € geschuldet, so dass die schon vor der Kündigung bestehende Zahlungsunfähigkeit durch die Zahlungsvereinbarung nicht beseitigt worden sei.

3. Der BGH hat mit seiner ersten Entscheidung zu § 133 InsO n. F. die Rechtsunsicherheiten, die im Zusammenhang mit der Reichweite der Vermutungswirkung einer Zahlungsvereinbarung bestanden, ausgeräumt. Er hat überzeugend ausgeführt, dass sämtliche Umstände, die über die Gewährung der Zahlungserleichterung und die darauf gerichtete Bitte des Schuldners hinausgehen, vom Insolvenzverwalter herangezogen werden können, um die Vermutung zu widerlegen. Dabei hat der BGH ausdrücklich hervorgehoben, dass sogar Umstände für eine Widerlegung der Vermutung ausreichend sein können, die dem Anfechtungsgegner vor der Gewährung der Ratenzahlung bekannt geworden waren. Der BGH hat in diesem Zusammenhang die Gelegenheit genutzt, um darauf hinzuweisen, dass durch die Regelung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO lediglich seine bisherige Rechtsprechung in das Gesetz aufgenommen worden ist.

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