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Kommentar

Wirksamkeit der Aufnahme eines unter­bro­chenen Rechts­st­reits

1. Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 11.08.2022, Az. IX ZR 78/21, mit der Frage auseinandergesetzt, wem es im Forderungsfeststellungsverfahren im Fall einer Zug-um-Zug-Verurteilung im Vorprozess obliegt, sein Recht zu verfolgen.

Im Rahmen des Vorprozesses war der spätere Insolvenzschuldner (im Folgenden „Insolvenzschuldner“) zur Zahlung von 21,25 Mio. Euro nebst Zinsen an die Verkäuferin von 2,5 Mio. Stück-Aktien Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Aktien verurteilt worden. In der Folge verweigerte der Insolvenzschuldner sowohl die Zahlung als auch die Annahme der von der Verkäuferin angebotenen Aktien mit dem Argument, im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages geschäftsunfähig gewesen zu sein. Die Verkäuferin drohte daraufhin den freihändigen Verkauf an und verkaufte die Aktien schließlich für 6,25 Mio. Euro an einen Dritten. Außerdem erhob sie Klage gegen den Insolvenzschuldner auf Feststellung, dass der Insolvenzschuldner durch den freihändigen Verkauf der Aktien hinsichtlich der ihm aus der Zug-um-Zug-Verurteilung zustehenden Leistung befriedigt ist. Der Klage wurde in der I. Instanz stattgegeben. Der Insolvenzschuldner legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein und begehrte gleichzeitig widerklagend die Feststellung, dass der im Vorprozess titulierte Zahlungsanspruch der Verkäuferin durch den Verkauf an den Dritten erloschen sei, weil ihr die Übergabe und Übereignung der Aktien infolgedessen nicht mehr möglich ist. Ferner beantragte der Insolvenzschuldner die Feststellung, dass der Verkäuferin aus dem Kaufvertrag keine Rechte mehr zustünden, weil der Kaufvertrag aufgrund seiner Geschäftsunfähigkeit nicht wirksam zustande gekommen sei. Während des Berufungsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet.

Die Verkäuferin meldete den im Vorprozess titulierten Kaufpreisanspruch in Höhe von 21,25 Mio. Euro ungekürzt zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter widersprach im Prüfungstermin der Feststellung der Forderung und verfolgte den Widerspruch, indem er den Rechtsstreit, der sich zu jenem Zeitpunkt in der Berufungsinstanz befand, hinsichtlich der Klage und der Widerklage wiederaufnahm. Neben der Argumentation des Insolvenzschuldners stützte der Insolvenzverwalter seinen Widerspruch darauf, dass der Anspruch der Verkäuferin zumindest in Höhe des durch den freihändigen Verkauf erzielten Erlöses in Höhe von 6,25 Mio. Euro erloschen sei. Das Berufungsgericht entschied daraufhin durch Zwischenurteil, dass der Rechtsstreit seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 240 S. 1 ZPO unterbrochen sei, weil die Wiederaufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter mangels Identität der zur Tabelle angemeldeten und der im Prozess verfolgten Ansprüche sowie wegen der Wahl des falschen Rechtsmittels nicht wirksam gewesen sei. Die dagegen gerichtete Revision des Insolvenzverwalters hatte Erfolg.

2. Der BGH hat im Rahmen der Entscheidung des Zwischenstreits ausgeführt, dass gemäß § 180 Abs. 2 InsO ein Rechtsstreit über die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung anhängig ist, wenn die Forderung Gegenstand eines Rechtsstreits ist und der Rechtsstreit Fragen betrifft, die für die Feststellung der Forderung zur Tabelle erheblich sind. Dies ist nach der Auffassung des BGH in der vorliegenden Konstellation der Fall, weil die Verkäuferin mit der Feststellungsklage, die nach der Zug-um-Zug-Verurteilung der Herstellung der Vollstreckungsvoraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO diente, auf die uneingeschränkte Leistungsverpflichtung des Insolvenzschuldners abzielte. Genau dieser Zahlungsanspruch sei auch der mit der Forderungsanmeldung verfolgte Anspruch.

Darüber hinaus war die Frage zu klären, ob für die Forderung der Verkäuferin ein vollstreckbarer Schuldtitel vorlag, so dass es gemäß § 179 Abs. 2 InsO dem Insolvenzverwalter als Bestreitendem oblag, den Widerspruch zu verfolgen. Der BGH hat insofern entschieden, dass die Verkäuferin in Gestalt der Zug-um-Zug-Verurteilung im Vorprozess zusammen mit dem erstinstanzlichen Feststellungsurteil einen solchen vollstreckbaren Schuldtitel habe, weil durch letzteres die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO nachgewiesen sind. Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH jedoch die Frage, ob der bestreitende Insolvenzverwalter die Betreibungslast auch dann gemäß § 179 Abs. 2 InsO getragen hätte, wenn die Gläubigerin lediglich über die Zug-um-Zug-Verurteilung aus dem Vorprozess verfügt hätte.

Schließlich hat der BGH klargestellt, dass es für die Wirksamkeit der Aufnahme eines Rechtsstreits gemäß § 180 Abs. 2 InsO nicht darauf ankommt, ob die Verfolgung des Widerspruchs bzw. die Rechtsverfolgung im Rechtsstreit Aussicht auf Erfolg hat.

3. Die Entscheidung des BGH überzeugt in allen aufgeworfenen Punkten. Dies betrifft die Argumentation sowohl zur Identität der verfolgten Ansprüche gemäß § 180 Abs. 2 InsO als auch zum Vorliegen des vollstreckbaren Schuldtitels im Sinne des § 179 Abs. 2 InsO. Das Urteil schafft nach der Entscheidung vom 11.02.2016, Az. III ZR 383/12, bezüglich eines weiteren Aspektes im Zusammenhang mit Zug-um-Zug-Forderungen, die als solche nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden können, weil sie nicht in die Systematik des insolvenzrechtlichen Feststellungs- und Verteilungsverfahrens passen, Klarheit, wenngleich sich die Insolvenzverwalter eine Aussage zum Umgang mit Zug-um-Zug-Verurteilungen ohne das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO gewünscht hätten.

Ruth Braukmann

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