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Kommentar

Zur Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Zusam­menhang mit Gesell­schaf­ter­dar­lehen und deren Besicherung

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26. Januar 2023 (IX ZR 85/21) zur Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen und deren Besicherung entschieden. 

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Schuldnerin; S). Beklagte ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die aus den drei Gesellschafterinnen der S. gebildet wird. 
Die S. plante ein großes Bauprojekt. Die Kosten hierfür sollten aufgebracht werden 1. durch einen Baukostenzuschuss des Eisenbahn-Bundesamtes, 2. durch Darlehen der Gesellschafterinnen sowie 3. durch Bürgschaften der Gesellschafterinnen gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt für den Fall, dass der Baukostenzuschuss von der S. zurückgezahlt werden müsste. Die Darlehen waren durch die S. zu verzinsen. Für die Bürgschaften schuldete die S. Avalprovisionen. 
Die Gesellschafterinnen ließen sich von der S. den Rückzahlungsanspruch der gewährten Darlehen sowie die Regressansprüche für den Fall der Inanspruchnahme durch das Eisenbahn-Bundesamt aus den abgegebenen Bürgschaften besichern. Die S. trat hierzu der GbR eine Eigentümergrundschuld an der in ihrem Eigentum stehenden Betriebsimmobilie ab. 
Der Insolvenzverwalter hat die Sicherung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO angefochten und macht Rückabtretung der Grundschuld geltend. 

Die Vorinstanzen Landgericht Zwickau und Oberlandesgericht Dresden haben der Klage stattge-geben. Dem schließt sich der BGH an. 

Insolvenzrechtlich interessant ist diese Entscheidung hinsichtlich einiger Punkte. 
So stellt der BGH zunächst klar, dass keine Personenidentität zwischen dem darlehensgewäh-renden Gesellschafter und dem Sicherungsnehmer bestehen muss. Die Sicherung, die ja vorlie-gend nicht den Gesellschafterinnen direkt eingeräumt worden ist, sondern der aus ihnen gebildeten GbR, ist dennoch als Sicherung eines Gesellschafterdarlehens anfechtbar. Maßgeblich hierfür ist der Wortlaut des § 135 InsO, der lediglich davon spricht, dass die Sicherung für die Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens gewährt wird, nicht aber an wen diese zu gewähren ist. Sicherungsnehmer könne folglich auch ein Dritter sein. 
Des Weiteren haben im vorliegenden Fall die Gesellschafterinnen zusammen koordiniert für ein bestimmtes Bauprojekt gemeinsam eine Finanzierung durch Darlehen und Bürgschaften erbracht und sich gemeinsam eine Sicherheit bestellen lassen. Aufgrund dieser „koordinierten Finanzierung“, wie der BGH sie nennt, greift nach der Entscheidung auch das Kleinbeteiligtenprivileg nach § 39 Abs. 5 InsO nicht ein. Eine Gesellschafterin war im entschiedenen Fall nämlich nur mit 10% an der S. beteiligt. In einem solchen Fall der koordinierten Finanzierung seien die Beteiligungsanteile der an der Finanzierung beteiligten Gesellschafterinnen aber zusammenzurechnen. Durch diese Art der Finanzierung komme nämlich die Übernahme einer über den nominellen Gesellschaftsanteil hinausgehenden unternehmerischen Verantwortung zum Ausdruck. So hatte es der BGH bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG zum alten Kapitalersatzrecht entschieden. Nunmehr erstreckt er den Ausschluss des Kleinbeteiligtenprivilegs auch auf koordinierte Fremdfinanzierungen außerhalb der Krise (anders noch im alten Kapitalersatzrecht) und außerhalb des Anfechtungszeitraums von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, also im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag.

Ebenfalls zum Kleinbeteiligtenprivileg stellt der BGH klar, dass dieses nicht nur Beteiligungen unterhalb von 10% sondern auch von solchen mit genau 10% erfasst und entscheidet damit eine in der Literatur viel und seit langem diskutierte Frage anhand des Gesetzeswortlauts. 

Des Weiteren ordnet der BGH die Regressansprüche eines Gesellschafters gegen die Gesell-schaft wegen der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft als Forderung, die der Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens wirtschaftlich entspricht, ein. Hintergrund ist, dass die Besicherung eines Drittdarlehens durch den Gesellschafter wirtschaftlich einer Krediteinräumung durch ihn persönlich gleichkomme. 
Abschließend nimmt der BGH noch zu den im vorliegenden Fall mitbesicherten Darlehenszinsen und Avalprovisionen Stellung. Bereits im Jahr 2019 hatte er entschieden, dass Darlehenszinsen als Entgelt für die Überlassung des Darlehens keine Finanzierungsleistung seien. Dies gelte auch für Avalprovisionen als Entgelt für die Übernahme einer Bürgschaft. In dem im Jahr 2019 entschiedenen Sachverhalt ging es aber um bereits bezahlte Zinsen und deren Rückforderung. Vorliegend handelte es sich aber um eine Sicherung für zukünftige Zinsen und Avalprovisionen. Auch hier knüpft der BGH an den Wortlaut des Gesetzes, hier an § 39 Abs. 3 InsO, an. Danach stellt der Gesetzgeber noch offene Zinsansprüche auf den gleichen (Nach-)Rang wie Gesellschafter-darlehen (auch dies gilt wieder entsprechend für Avalprovisionen), so dass solche, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch offen sind oder erst nach diesem Zeitpunkt anfallen, wie die Hauptforderung zu behandeln sind. Ansonsten drohe eine Umgehung der Zuordnung der Gesell-schafterdarlehen und gleichgestellter Forderungen zum Nachrang. Denn anderenfalls wäre die Sicherung, weil sie auch Zinsen und Avalprovisionen sichert, nicht anfechtbar gewesen. 

Abschließend ist festzustellen, dass der BGH vorliegend seine bisherige Rechtsprechung aus dem alten Kapitalersatzrecht zum neuen Recht fortführt und im Sinne des Gesetzgebers auch auf Zeiten außerhalb der Krise ausdehnt. Dieses Merkmal war mit dem MoMiG ja ausdrücklich aufgegeben worden. Zudem schafft er Klarheit im Hinblick auf die 10%-Schwelle und im Hinblick auf Regressansprüche, die er einer Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens gleichstellt. 

Julia Frank

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