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Kommentar

BGH: Keine Vorteils­aus­g­lei­chung im Insol­venz­an­fech­tungs­recht

Der BGH hat bezüglich eines vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Anfechtungsanspruch nach § 133 Abs. 1 InsO im Wesentlichen entschieden, dass die Voraussetzung der Gläubigerbenachteiligung isoliert zu begutachten sei und eine Vorteilsausgleichung nach schadensrechtlichen Grundsätzen im Anfechtungsrecht nicht stattfinde.

Sachverhalt:

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien stritten um einen vom Insolvenzverwalter und Kläger geltend gemachten Anfechtungsanspruch wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung. Der Beklagte, ein rechtsfähiger wirtschaftlicher Verein, der die Sozialkassenbeiträge im Baugewerbe einzieht, war Anfechtungsgegner.

Bei dem Beklagten liefen seitens des Insolvenzschuldners Beitragsrückstände in beträchtlicher Höhe auf. Gleichzeitig stand dem Insolvenzschuldner gegen den Beklagten ein Erstattungsanspruch in Höhe von ca. 48.000,00 € zu. Der Beklagte wandte sich im weiteren Verlauf an die Bank des Insolvenzschuldners und schloss mit dieser eine Treuhandvereinbarung ab. Danach verpflichtete sich die Bank zum Ausgleich der Forderungsrückstände des Schuldners beim Beklagten zur Zahlung eines Betrags in Höhe von ca. 57.000,00 € an den Beklagten. Die Zahlung stand unter der Auflage, dass der Beklagte an den Schuldner den Erstattungsanspruch in Höhe von ca. 48.000,00 € überweist. Entsprechend der Vereinbarung erfolgten die Zahlungen. Der Insolvenzverwalter forderte die Rückerstattung des vom Konto des Schuldners gezahlten Betrags in Höhe von ca. 57.000,00 €.

Vorinstanzliche Entscheidungen:

In erster Instanz hat das LG Wiesbaden die Klage des Insolvenzverwalters vollumfänglich abgewiesen. In zweiter Instanz hat das OLG Frankfurt den Beklagten zur Rückerstattung der Differenz zwischen dem vom Beklagten gezahlten Erstattungsanspruch und der vom Schuldner gezahlten Beitragsrückstände, mithin eines Betrags in Höhe von ca. 9.000,00 € verurteilt und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass es in Höhe des restlichen angefochtenen Betrags an einer Gläubigerbenachteiligung fehle, da die Erstattungsbeträge ein die Gläubigerbenachteiligung ausschließender gleichwertiger Vorteil darstellen würden.

Anmerkung und Entscheidungsgründe

Der BGH hat die Entscheidung des OLG Frankfurt aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

I. Gläubigerbenachteiligung
Der BGH hat entschieden, dass der Zahlung in voller Höhe und nicht nur (wie es noch das OLG Frankfurt angenommen hat) in Höhe der Differenz zum Erstattungsanspruch, gläubigerbenachteiligende Wirkung zukommt. Bei der Gläubigerbenachteiligung sei isoliert die einzelne Zahlung zu betrachten. Eine Vorteilsausgleichung finde gerade nicht statt. An einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung fehle es aber bei Erbringung einer ausgleichenden Gegenleistung oder einem unmittelbar mit der Rechtshandlung zusammenhängendem Vorteil. Für die ebenso genügende mittelbare Gläubigerbenachteiligung reiche es aus, wenn die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger zur letzten mündlichen Verhandlung beeinträchtigt wurden. Ob die Erstattungsleistungen eine Gegenleistung darstellten, könne nach dem BGH dahinstehen.  Jedenfalls seien die beiden Zahlungen nicht derart miteinander verknüpft, dass die Gläubigerbenachteiligung entfalle. Damit verweist der BGH auf sein ebenfalls im Jahr 2019 ergangenes Urteil vom 18. Juli 2019, IX ZR 258/18.

II. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
Allerdings besteht die Möglichkeit, dass der Schuldner ohne Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat. Um diese Frage beurteilen zu können, lagen jedoch nicht genügend Feststellungen vor, sodass die Sache zurückverwiesen werden musste. Zur Rechtslage hat der BGH ausgeführt, dass die nach ständiger Rechtsprechung maßgebliche Indizwirkung der Kenntnis des Schuldners von seiner Zahlungsunfähigkeit gemindert sein könne. Dies sei nämlich dann möglich, wenn der  Schuldner eine Leistung in der berechtigten Annahme erbringt, dadurch eine Gegenleistung zu veranlassen. Obwohl die Voraussetzungen eines bargeschäftsähnlichen Austausches nicht vorliegen, könne ihm die Gläubigerbenachteiligung verborgen geblieben sein und der Benachteiligungsvorsatz fehlen.

III. Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
Auch die Frage der Kenntnis des Beklagten konnte der BGH mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst entscheiden. Zur Rechtslage wiederholt der BGH zunächst seine ständige Rechtsprechung, wonach ein Gläubiger bei gewerblich tätigen Schuldnern mit dem Vorhandensein weiterer Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen rechnen muss. Ergänzend führt er aus, Kenntnis von konkreten weiteren Gläubigern sei dahingehend nicht erforderlich. Die Kenntnis könne aber entfallen, wenn der Beklagte berechtigt angenommen hat, es werde durch die Erstattung zum Ausgleich kommen.

Mit dieser Entscheidung hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung fortgeführt (insbs. BGH, Urteil vom 18.07.2019, IX ZR 258/18). Die Entscheidung ist zwar grundsätzlich für den anfechtenden Insolvenzverwalter von Vorteil, soweit eine Vorteilsausgleichung im Anfechtungsrecht nicht erfolgt. Jedoch hat der BGH dem Anfechtungsgegner gleichzeitig Verteidigungsmöglichkeiten in Bezug auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz eröffnet, indem er die Indizwirkung der erkannten Zahlungsunfähigkeit eingeschränkt hat. Wie die Entscheidung des Berufungsgerichts nach Zurückverweisung diesbezüglich ausfällt, bleibt abzuwarten.

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