BGH positioniert sich zur Zahlungsunfähigkeitsprüfung
15.02.2018 (Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, II ZR 88/16)
Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung gewinnt mehr und mehr an Schärfe
Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Senat des BGH hat sich durch Urteil vom 19.12.2017, II ZR 88/16, zu der bislang umstrittenen Frage positioniert, ob in die Zahlungsunfähigkeitsprüfung auch solche Verbindlichkeiten einzubeziehen sind, die nach dem Prüfungsstichtag kurzfristig, d.h. innerhalb von drei Wochen, fällig werden (sog. Passiva II). Der Senat bejaht dies und stellt zudem klar, dass sich der Geschäftsführer regelmäßig an der unter seiner Verantwortung aufgestellten Buchhaltung festhalten lassen muss. Soweit in Teilen der Beratungspraxis bislang Urteile des für das Insolvenzrecht zuständigen IX. BGH Senats anders ausgelegt wurden und so eine Insolvenzantragspflicht im Einzelfall noch verneint werden konnte, kann dies unter Berücksichtigung von Haftungsgesichtspunkten nicht mehr aufrecht gehalten werden. Die sog. Bugwellentheorie, nach der in eine Liquiditätsbilanz zwar neben den am Stichtag verfügbaren auch die kurzfristig realisierbaren Aktiva des Unternehmens einzubeziehen sind, nicht aber die im selben Zeitraum nach dem Stichtag fällig werdenden Verbindlichkeiten, hat sich für die Praxis erledigt. Dies verschärft die Haftungsrisiken für Geschäftsführer in der Krise des Unternehmens noch einmal erheblich.
Nach Eintritt der Insolvenzreife ist eine haftungsfreie Gestaltung des Zahlungsverkehrs kaum mehr darzustellen, nachdem der BGH auch sonstige Verteidigungsmöglichkeiten für Geschäftsführer weitgehend abgeschnitten hat. Insbesondere kann sich das Geschäftsführungsorgan nur noch in Ausnahmefällen darauf berufen, für eine Zahlung aus dem Gesellschaftsvermögen eine angemessene Gegenleistung erhalten zu haben. Denn diesen Einwand gegen eine Inanspruchnahme nach § 64 GmbHG lässt der BGH nur zu, wenn die Gegenleistung auch unter Liquidationsgesichtspunkten gleichwertig ist, was der BGH zumindest für Arbeits- und Dienstleistungen regelmäßig ausgeschlossen hat (Urteil vom 04.07.2017, II ZR 319/15). Haftungsgefahren für Geschäftsführer lassen sich in der Krise nach alledem rechtssicher nur noch durch ständige und zeitnahe Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung und ggfs. frühzeitige Insolvenzantragstellung vermeiden.
Kommentar
BGH positioniert sich zur Zahlungsunfähigkeitsprüfung
15.02.2018 (Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, II ZR 88/16)
Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung gewinnt mehr und mehr an Schärfe
Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Senat des BGH hat sich durch Urteil vom 19.12.2017, II ZR 88/16, zu der bislang umstrittenen Frage positioniert, ob in die Zahlungsunfähigkeitsprüfung auch solche Verbindlichkeiten einzubeziehen sind, die nach dem Prüfungsstichtag kurzfristig, d.h. innerhalb von drei Wochen, fällig werden (sog. Passiva II). Der Senat bejaht dies und stellt zudem klar, dass sich der Geschäftsführer regelmäßig an der unter seiner Verantwortung aufgestellten Buchhaltung festhalten lassen muss. Soweit in Teilen der Beratungspraxis bislang Urteile des für das Insolvenzrecht zuständigen IX. BGH Senats anders ausgelegt wurden und so eine Insolvenzantragspflicht im Einzelfall noch verneint werden konnte, kann dies unter Berücksichtigung von Haftungsgesichtspunkten nicht mehr aufrecht gehalten werden. Die sog. Bugwellentheorie, nach der in eine Liquiditätsbilanz zwar neben den am Stichtag verfügbaren auch die kurzfristig realisierbaren Aktiva des Unternehmens einzubeziehen sind, nicht aber die im selben Zeitraum nach dem Stichtag fällig werdenden Verbindlichkeiten, hat sich für die Praxis erledigt. Dies verschärft die Haftungsrisiken für Geschäftsführer in der Krise des Unternehmens noch einmal erheblich.
Nach Eintritt der Insolvenzreife ist eine haftungsfreie Gestaltung des Zahlungsverkehrs kaum mehr darzustellen, nachdem der BGH auch sonstige Verteidigungsmöglichkeiten für Geschäftsführer weitgehend abgeschnitten hat. Insbesondere kann sich das Geschäftsführungsorgan nur noch in Ausnahmefällen darauf berufen, für eine Zahlung aus dem Gesellschaftsvermögen eine angemessene Gegenleistung erhalten zu haben. Denn diesen Einwand gegen eine Inanspruchnahme nach § 64 GmbHG lässt der BGH nur zu, wenn die Gegenleistung auch unter Liquidationsgesichtspunkten gleichwertig ist, was der BGH zumindest für Arbeits- und Dienstleistungen regelmäßig ausgeschlossen hat (Urteil vom 04.07.2017, II ZR 319/15). Haftungsgefahren für Geschäftsführer lassen sich in der Krise nach alledem rechtssicher nur noch durch ständige und zeitnahe Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung und ggfs. frühzeitige Insolvenzantragstellung vermeiden.
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Wann genau muss Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit vorliegen? Der BGH hat sich mit seiner jüngsten Entscheidung gegen einen Großteil der Literaturmeinungen gestellt.